Dienstag, 3. November 2015

Und weiter gehts....

Loli wurde heute 6 Tage nach OP zurück auf die Neonatrie verlegt. Sie atmet wieder komplett selber, hat jedoch noch beim Trinken Sättigungsabfälle. Die Pflegerinnen der Neo sind sehr beeindruckt von den 2180gr Menschlein und finden ihren Kampfgeist bewundernswert. Sie ist das bis jetzt kleinste Baby, welches jemals eine Korrektur der Transposition der Arterien in Zürich erhalten hat und legt nun ein rekordverdächtiges Tempo in der Erholung hin.

Als wir Lolis Patenonkel erzählten, dass sie nach der OP 3-5 Wochen noch im Kinderspital bleiben muss, sagte er: Nö, das ist Lilas Tochter, die kommt schon nach 2.5 Wochen nach Hause. Mal schauen, ob er recht behält.
Von ihm hat Loli zur überstandenen OP ein antikes Schaukelpferd erhalten. Er hat es für sie gekauft und restauriert. Es ist wunderschön.

Nun mal aber zu uns 3 anderen... Loli und Lili sind heute 4 Wochen alt. Wir haben bereits so viel erlebt, dass ich das Gefühl habe, es wären Monate vergangen. Wie es uns geht:

Lili hatte extrem Mühe, dass sie Loli eine Woche lang nicht besuchen darf. Sie ist sonst schon immer gegen Abend geplagt mit 3-Monatskoliken. Normalerweise schreit sie dann so 5-10x 2 Minuten lang, bis der Krampf vorbei ist. Doch die Tage, an denen sie nicht zu Loli durfte, wurde es jeden Tag schlimmer. Sonntags schreite sie abends 3x zwei Stunden lang am Stück. Es hörte sich an, als würde man das Kind aufspiesen.  So um 0.30h kam sie zur Ruhe, zu erschöpft um weiter zu schreien schlief sie in meinen Armen ein. Montags durfte sie zu Loli und der Spuck war wieder vorbei. Sie hat einfach wieder ihre paar Minuten wo sie krampft, jedoch kommen wir insgesamt nicht mal auf eine Stunde.
Ausserdem ist Lili bereits seit dem Alter von wenigen Tagen immer wieder halbtags fremd betreut, was für ein Säugling nicht natürlich ist. Auch sie hat es gar nicht einfach in der Situation.

Mein Mann ist krank geschrieben. Zu viel Stress. Zum Glück hat sein Arbeitgeber volles Verständnis und gibt ihm Zeit. Was an ihm am meisten nagt, ist, dass er die OP-Papiere unterschreiben musste mit dem Wissen, dass 4 von 100 Kindern bei der OP sterben. Tönt nach nicht viel. Wenn man jedoch weiss, dass 1 Kind von 100 mit einem Herzfehler zur Welt kommt und man der Vater von diesem Kind ist,  dann ist eine Quote von 4% verdammt hoch.
Dazu kommt der Schlafentzug von den Sorgen, die Belastung von Haushalt, Kind zu Hause, Kind in der Klinik, Tiere und Partnerschaft mit dem Wissen, dass man nichts gerecht wird.

Bei mir sagen alle, ich würde verdammt gut aussehen, für das, dass ich eine schwierige SS hatte und jetzt den Alptraum jeder Zwillingsmutter lebe. Nun ja, ich war schon immer ein Pockerface und mir sieht man lange nicht an, dass ich auf dem Zahnfleisch gehe.
Ich habe durchschnittlich 6 Stunden Schlaf mit 2-3 Unterbrechungen, weil Lili Hunger hat. Da muss ich echt kämpfen, dass ich beim Füttern nicht einschlafe.... Dann denke ich immer, ohh mein Gott, hoffentlich schaffe ich den nächsten Tag! Und jeden Morgen bin ich erstaunt, wieviel Energie ich doch sammeln konnte.
Hart im Nehmen war ich schon immer, von dem her erstaunte es niemanden, dass ich nach fast 8 Wochen liegen und 24h nach Kaiserschnitt bereits quer von Ost- nach Westtrakt mit Baby im Arm zwischen Wochenbett und Neonatrie pendelte. Die ersten Tage waren hart, ich hatte kein Gefühl mehr für meinen Rumpf, Muskulatur weg. Heute gehts mir von dem her wieder sehr gut.
An was ich meinem Körper anmerkte, dass er erschöpft ist, war am Abpumpen/Versuch zum Stillen. Ich pumpte 10 Tage lang alle 4 Stunden Tag und Nacht ab. Dabei gewann ich gerade mal 20ml Milch. Meine Brüste schmerzten. Da meinte die Ärztin, ich soll abstillen. Der Stress würde die Milchproduktion verhindern und ich würde in die Gefahr laufen, eine Brustentzündung zu bekommen. Und das wäre sehr schlecht für meinen allgemeinen Zustand, ich soll meine Zeit nutzen, um für die Kinder da zu sein. Jetzt bekommen sie halt Milchpulver.
Da sind wir bei dem Punkt, der mich innerlich auffrisst. Ich gebe mehr, als ich kann. Ich gehe mit vollem Bewusstsein über meine Belastungsgrenze und gebe alles, was ich habe für meine Kinder. Und trotzdem weiss ich, dass ich keinem von beiden gerecht werde. Wenn dann noch z.B. Loli weint, wenn ich sie ins Bettchen zurück lege um nach Hause zu fahren oder ich 2 Stunden lang versuche mit allem Möglichen die Bauchschmerzen von Lili zu lindern und nichts hilft, breche ich in Tränen aus. Aus Verzweiflung, dass ich meinen Kindern den Schmerz nicht nehmen kann, dass sie so leiden und ich nichts dagegen tun kann.
Zudem trauere ich dem "Wochenbett" nach. Die ersten Wochen, die nur den Eltern und den Kindern gehören sollte und man einfach sich kennenlernt, miteinander kuschelt und das neue Glück geniesst, die Zeit hatte ich nicht. Und die werde ich nicht nachholen können. Meine Erinnerung an die ersten Wochen mit meinen Mädchen wird immer geprägt von Angst und Verzweiflung sein.

1 Kommentar: