Mittwoch, 3. Juni 2015

Fluch???

Ich freue mich auf das Mädchen, natürlich auch auf den oder die kleine Geheimnistuerin ;). Ich wollte schon als Kind immer eine Tochter. Alle meine Puppen waren weiblich.

Doch die letzten Monate habe ich mich auch sehr gut mit dem Gedanken von Söhnen auseinander gesetzt. Für mein Schlaf wären Jungs besser. Da muss man sich weniger Sorgen wegen einem Missbrauch machen.

Leider ist das Thema Missbrauch sowas wie ein Fluch, der mich verfolgt. In meiner Familie mütterlicherseits herrscht Inzest seit mind. 3 Generationen. Und die Mütter sind gelähmt, können ihren Töchtern nicht helfen, da sie selber schwer traumatisiert sind.
Väterlicherseits sinds die Nachbarn, Turnlehrer etc. Wieviele Generationen das es da betrifft, weiss ich nicht.
Ich hab, und das find ich tragisch, insgesamt 6 Cousinen, und alle wurden wie ich als Kind Opfer eines oder mehreren sexuellen Übergriffen. Und noch schlimmer, keines der Schweine wurde jemals angezeigt. Bis auf einen potentiellen Täter in meinem Leben.

Ich wurde schätzungsweise, leider ist meine Erinnerung neblig bis nicht vorhanden, aber so ab 3jährig bis ca. 9jährig von meinem Grossvater missbraucht. Ich war ein sehr verhaltensauffälliges Kind, heute würde man mir Ritalin füttern. Ich konnte Tobsuchtsanfälle bekommen, wurde handgreiflich (leider haben mir das meine Eltern vorgelebt), wirkte immer verträumt und abwesend, fiel einfach so um in Ohmacht. Damals vermutete man Epilepsie. Ich ging mehrmals!durch alle Tests für die Abklärung für Epilepsie. Doch es wurde niemals richtig bestätigt, man gab mir dann einfach Jahrelang Tegretol, obwohl es nichts veränderte. Heute weiss ich seit 3 Jahren, dass das dissoziative Zustände sind und rein psychisch bedingt. Es gibt kein Medikament dagegen, Traumakonfrontationstherapie ist das einzige, was Linderung schaffen kann.
Jedenfalls merkte ich mit 9, dass das Verhalten meines Grossvaters nicht korrekt ist und das ich das nicht will. Ich erzählte es meiner Mutter. Sie rief meine Grosseltern an und sagte, ich würde nicht in die Ferien kommen wollen. Und dann erzählte sie es meinem Vater und ihren Schwestern. Ihre Schwestern sagten, ihre Töchter hätten das gleiche erzählt. 4 Opfer. Uns Kinder wurde dann gesagt, wir sollen schweigen. Unsere Grossmutter lag mit Hirntumor im Sterben. Man wolle sie nicht beunruhigen. Sie würden was unternehmen, wenn die Grossmutter starb.
An ihrer Beerdigung 2 Jahre später, sprach ich das erste und einzige Mal mit einer Cousine über den Vorfall. Wir beide sagten noch, endlich wird uns nun geholfen, sie haben es uns versprochen.
Es kam nichts.
Mittlerweile hatten wir einen neuen älteren Nachbar, der auch sehr anzüglich war. Er startete bei mir, als ich 11 war, auch einen Versuch für einen Übergriff, doch ich konnte mich los reissen und nach Hause rennen. Er wurde auch übergriffig bei einem anderen, jüngeren Mädchen. Die Mutter reagierte, und zeigte ihn an. Ich wurde auch von der Polizei verhört. Doch ich erzählte nichts von dem Übergriff. Meine Mutter sass daneben. Ich schämte mich. Ich dachte, wahrscheinlich ist es mein Fehler, dass mir immer wieder solche Sachen passieren. Ich dachte das erste Mal über Suizid nach

Mit 14 gings bergab. Alle hatten einen Freund. Ich auch mal kurz, doch es triggerte mich nur an. Ich fiel in eine Starre. Eigentlich wollte ich einfach normal sein, einen Freund haben. Doch ich konnte das nicht. Ich wurde sehr introvertiert und fing mit Rauchen und Kiffen an. Leben und Atmen konnte ich nur bei den Pferden. Stundenlang ritt ich alleine durch den Wald. Da fühlte ich mich frei.
Es kamen dann noch ganz viele Auseinandersetzungen mit meinen Eltern dazu. Ich fühlte mich von ihnen in Stich gelassen. Und wollte mich von ihnen abschotten. Sie akzeptierten das nicht und machten noch mehr Druck, um den Schein einer heilen Familie zu wahren. Sie wurden zwischen Missbrauch, psychischer und körperlicher Gewalt gross. Wer kann es ihnen da verübeln, dass sie zu den gleichen Mitteln griffen? Meine Mutter schrie mich an, und drohte mir mit dem Kinderheim. Ich antwortete ihr mittlerweile nur noch: Ja gerne, schlimmer wie hier kann es nicht sein. Es kamen die ersten Planungen zum Suizid.

Mit 16 riss ich von zu Hause aus. In Frankreich wurde ich aufgegriffen. Meine Mutter musste mich da abholen. Sie bekam die Auflage, in eine Familientherapie  zu gehen. Wir gingen genau einmal. Der Therpeut bat mich, zu erzählen, wie ich mich fühle. Ich fing an. Nach ein paar Sätzen rastete mein Vater aus und machte mich so fertig, dass Heulkrämpfe bekam. Der Therapeut schickte meine Eltern weg. Er wolle mit mir alleine Reden. Ich erzählte ihm alles. Er versprach mir zu helfen. Meine Eltern kamen wieder rein. Der Therapeut versuchte zu vermitteln. Mein Vater wurde wieder wütend. Ich dissozierte. Es war zuviel, nur weg.
2 Tage später boten mir meine Eltern an, dass ich mir ein Pferd kaufen darf, wenn ich mich wieder "normal" benehme und wir die Therapie fallen lassen können. Ich ging darauf ein. Zumindest ein wahrer Freund im Leben, was will man mehr.

Mein Ausbildungszeit verbrachte ich so, dass ich nur noch zum Schlafen und Duschen nach Hause ging. Das war gerade aushaltbar.

Einige Fragen sich wohl, warum nie ein Lehrer oder Ausbildner eingriff... Ganz einfach, ich hatte eine Maske. Ich zeigte mich als das nette, introvertierte Mädchen, freundlich, höflich. Daneben war ich immer eine der Besten, schloss sogar die kaufmännische Ausbildung als Klassenbeste ab.
Ich habe gelernt, dass gute Leistungen Anerkennung und Aufmerksamkeit bringt.

Dann hatte ich einige komische Beziehungen, bis zu meinem Autounfall mit 22 anfangs 2003. Da kam der Stein ins Rollen. Ich ging zur Opferhilfe und zu einer Therapeutin. Hatte Hoffnung geschöpft. Einmal versuchte ich mit meiner Mutter darüber zu reden. Ihre Aussage war: Was, daran erinnerst du dich? Ich dachte, du hättest das vergessen....
Damit wurde klar, meine Mutter ist auch ein Opfer. Ich fing an in meiner Familie zu forschen. Und stellte fest, es betrifft 3 Generationen.... Sie wollte nie darüber reden. Ich liess sie.

Als ich mit Burnout in die Klinik kam, fragte sie nie nach dem Grund. Sie kam mich jeden Dienstag besuchen. Ein Versuch der Gutmachung?

Meinen Eltern verzeihen konnte ich erst vor etwas mehr wie einem Jahr. Dank Traumatherapie. Mittlerweile hat mein Herz verstanden, dass meine Mutter in ihrer eigenen Geschichte gefangen ist. Sie verweigert mir die Hilfe weil sie mich hasst, sondern weil sie selber leidet. Sie liebt mich, doch hat eine komische Art, das zu zeigen. Weil sie es nie anders gelernt hat.

Meine Angst ist nun, dass ich auch in das Muster falle. Ich habe sehr viel gelernt von den Pferden. Wie man erzieht und ausbildet, ohne Gewalt. Doch schaffe ich das auch bei den Kindern? Ich lese viel über Erziehung, doch verstehe teilweise nur Bahnhof. Mein Mann ist Lehrer, er hat eine pädagogische Ausbildung. Ich frage ihn, bespreche das, was ich gelesen habe und rede über meine Ängste. Er sagt dann immer, dass ich das schaffe. Bei den Tieren kann ich das ja auch.

Und nun kommt noch die Angst dazu, dass sich unser Fluch wiederholt. Ich scanne schon die Umgebung nach potentiellen Täter. Krank, nicht? Darüber muss ich in der nächsten Therapiestunde unbedingt sprechen.

Meine Therapie werde ich solange wie möglich weiterführen. Falls meine Tochter oder Töchter Opfer werden, will ich für sie kämpfen. Sie sollen Hilfe bekommen. Der Täter soll verurteilt werden, damit sie Wissen, dass sie die Opfer sind.  Ich hoffe bloss, dass dann nicht die alte Wut hoch kommt und  ich im Affekt zur Selbstjustiz greife....

4 Kommentare:

  1. Liebe lila, es ist schrecklich was du durchmachen musstest. Wirklich gar nicht in worte zu fassen. Es ist gut dass du deine therapie weiterführen wirst.

    Ich bin mir sicher dass ihr auf euer oder eure mädchen gut aufpassen werdet und sie gut erziehen werdet.

    Ich drück dich ganz ganz feste ♥

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  2. Liebe Lila,

    wow, du hast wirklich schon einen ganz schönen Scheiß erlebt und das tut mir für dich sehr leid aber umso froher bin ich, dass du das Beste daraus gemacht hast.
    Obwohl mir persönlich nichts dergleichen passiert ist habe auch ich Angst um den Nachwuchs: bitte werde kein Opfer und bitte werde kein Täter.
    Aber du bist so darauf sensibilisiert, dass du Anzeichen bestimmt schneller erkennen würdest als andere und somit eventuell schlimmeres verhindern kannst!
    Weiterhin glaube ich, wie dein Ehemann, dass du eine gute Mutter sein wirst und deine Kinder so erziehst wie es gut ist – mach dir mal keine Gedanken darüber – das wird schon alles gut! Außerdem haben sie sich immer auch noch gegenseitig 

    Also ich wünsche dir alles Gute!!

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  3. Ich danke euch für die Zusprüche.

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  4. Liebe Lila

    Ich bin über deine Vergangeheit geschockt und kann nicht in Worta fassen was ich dir gerne sagen würde. Keep fighting, lass nicht locker, du bist stark und schaffts das! Glaub an dich!

    Alles liebe Lia

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